Flamingos ernähren sich davon und neuerdings auch Models. Während die Vögel sich aus dem Meer bedienen, mixt der Mensch Algenpulver in Smoothies oder schluckt Kapseln. Die Wasserpflanze gilt als Anti-Aging-Mittel und Immunbooster. Verantwortlich dafür sind der hohe Gehalt an Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen. Zudem wird das Superfood aus dem Meer als pflanzliche Vitamin B12-Quelle beworben. Da es durch den Verzicht auf tierische Lebensmittel zu einer B12-Mangelversorgung kommen kann, stehen Algen deshalb vor allem bei Veganern hoch im Kurs. Der vielgepriesene gesundheitliche Zusatznutzen sollte jedoch kritisch hinterfragt werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt ab dem 13. Lebensjahr eine tägliche Zufuhr von drei Mikrogramm (µg) Vitamin B12. Schwangere und stillende Frauen brauchen mehr. Sie zählen deshalb wie auch Menschen über 50 (bis zu 15 %), chronisch Kranke und Veganer zu den Risikogruppen für einen Vitamin B12-Mangel. Vitamin B12 kommt vor allem in Lebensmitteln tierischen Ursprungs wie Fleisch, Innereien und Fisch vor. Weitere Quellen sind Eier, Milch und Milchprodukte. Ob es auch vegane B12-Quellen gibt, beschäftigt die Forschung seit längerem. Algen spielen dabei eine besondere Rolle.
Algen sind nicht gleich Algen
Bei den Algen unterscheidet man zwei Arten: die winzigen Mikroalgen und die großblättrigen Makroalgen. Speisealgen sind meist Makroalgen. Am bekanntesten ist bei uns die Rotalge Nori. Zu Blättern gepresst sorgt sie dafür, dass Sushi-Rollen nicht auseinanderfallen. Die Braunalge Wakame verleiht der japanischen Misosuppe ihren typischen Geschmack nach Meer und die Grünalge Ulva wird wegen ihres Aussehens auch „Meeressalat“ genannt. Mikroalgen kommen dagegen als Nahrungsergänzungsmittel in Pulver- oder Kapselform auf den Markt oder werden Lebensmitteln zugesetzt. Die bekanntesten: Spirulina, Chlorella und Aphanizomenon flos-aquae (AFA-Algen).
Wirklich Superfood?
Laut Stiftung Warentest decken Algenpräparate bei empfehlungsgemäßem Verzehr nur einen Bruchteil des Bedarfs an Nährstoffen ab, für die sie angepriesen werden. Das gelte auch für Vitamin B12. Dass es zu der Annahme kam, Algen würden viel Vitamin B12 enthalten, liegt an den Messverfahren. Früher wurde der Vitamin B12-Gehalt in Nahrungsmitteln mit mikrobiologischen Methoden bestimmt. Sie messen aber auch Stoffe, die eine ähnliche Struktur wie Vitamin B12 haben (sog. Vitamin B12-Analoga).
Heute wird der Vitamin B12-Gehalt mittels Differential Radioessay und neuerdings IAC-HPLC (Immunoaffinity column – High-performance liquid chromatography) bestimmt. Mit diesen neuen Messverfahren zeigt sich, dass es sich bei einem Großteil des früher gemessenen Vitamin B12-Gehalts wahrscheinlich um Vitamin B12-Analoga handelt, die aber nicht die lebenswichtigen Funktionen des Vitamins erfüllen können. Zwar zeigen Studien, dass die Einnahme von Spirulina und Nori die B12-Blutwerte kurzfristig erhöht, da diese auch auf B12-Analoga anschlagen. Die eindeutigen Marker für B12 (MMA-Werte) dagegen verschlechtern sich, sogar deutlich. Das liegt vermutlich daran, dass B12-Analoga die Aufnahme von echtem Vitamin B12 blockieren, indem sie die Transportsysteme belegen. Einzig für Chlorella deuten verfügbare Studienergebnisse derzeit darauf hin, dass es sich tatsächlich um eine hochwertige B12-Quelle handeln könnte.
Bis gesichert ist, ob es sich bei Algen um verlässliche B12-Quellen handelt, sollte man sich nicht darauf verlassen. Um einem Mangel vorzubeugen oder diesen zu behandeln sind angereicherte Lebensmittel, wie Pflanzenmilch, Nahrungsergänzungs- bzw. Arzneimittel (z. B. Tropfen, Tabletten) oder Injektionen beim Arzt (z. B. Vitamin B12 Depot Hevert) derzeit die sicherste Methode.