Physikalisch-experimentelle Methoden
In den letzten Jahrzehnten wurden zahlreiche Experimente durchgeführt, um den physikalischen Wirkmechanismus der Homöopathie zu entschlüsseln. Vor allem mit den gängigen spektroskopischen Methoden wurden hochpotenzierte Arzneien mit Placebo verglichen, um Rückschlüsse auf physikalische Unterschiede ziehen zu können. Signifikante Resultate, die mit Raman- bzw. NMR-Spektroskopie (Verfahren, die mit Anregung durch Laserlicht bzw. Magnetismus die Molekülstruktur untersuchen) erzielt wurden, konnten erfolgreich reproduziert werden. Eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen experimentellen physikalischen Untersuchungen liefert die Metastudie von Witt (Witt, 2006) sowie der kürzlich unter Beteiligung der Grundlagenforschung von Hevert-Arzneimittel erschienene Review zum Stand der physikalischen Grundlagenforschung (Klein et al., 2018; Tournier et al., 2019). In die qualitative Auswertung dieses Reviews wurden 203 physikalische Experimente eingeschlossen, deren Dokumentationsqualität in vorangegangenen Publikationen von den jeweiligen Reviewern als gut bis sehr gut bewertet wurde. Von diesen 203 Experimenten berichten 73 % von Unterschieden zwischen homöopathischen Aufbereitungen und Kontrollen, wobei nach Meinung der Autoren des Reviews bei vielen Experimenten die experimentellen Qualitätsstandards bei zukünftigen Reproduktionen noch deutlich erhöht werden müssen, um von zuverlässigen Nachweisen sprechen zu können.
Forschung an lebenden Organismen
Ebenfalls statistisch signifikante Ergebnisse bezüglich der Wirkung von hochpotenzierten Arzneien wurden mit Testsystemen erzielt, die mit Pflanzen-, Tier- oder Zellsystemen arbeiten. Hierbei steht weniger im Fokus, wie die Arznei wirkt, sondern vielmehr, ob sich signifikante Effekte nachweisen lassen. Vielversprechende Resultate haben hierzu vor allem die Forschergruppen um Dr. Peter Christian Endler bzw. um PD Dr. Stephan Baumgartner vorgelegt.
Endler forscht vor allem mit Kaulquappen, die randomisiert (zufällig zugeordnet) auf verschiedene Gruppen verteilt und dann verblindet (der Experimentator weiß nicht, welche Gruppe das Arzneimittel und welche ein Scheinmedikament bekommt) unterschiedlich behandelt werden. Diesem Amphibienmodell liegt die Beeinflussung der Entwicklung der Kaulquappe zum Frosch durch die Behandlung mit dem Schilddrüsenhormon Thyroxin zugrunde, welches die Umwandlungsgeschwindigkeit beschleunigt. Endler hat bereits zahlreiche Versuchsreihen durchgeführt, unter anderem Versuche mit potenziertem Thyroxin im Vergleich zu Placebo (Scheinmedikament), die Geschwindigkeit der Metamorphose (Umwandlung) zu beeinflussen. Bei anderen Testreihen wurden zunächst alle Kaulquappen mit leicht verdünntem Thyroxin vorbehandelt und danach entweder mit Placebo oder potenziertem Thyroxin weiterbehandelt. Untersucht werden sollte, ob die Gabe von homöopathisch aufbereitetem Thyroxin die durch das stoffliche Thyroxin beschleunigte Metamorphose wieder aufhebt. Endler et al. konnten zeigen, dass sich die mit einer homöopathischen Hochpotenz behandelten Kaulquappen tatsächlich langsamer entwickelten als die mit Placebo behandelten. (Zausner et al., 2002; Endler et al., 2003; Graunke, 2007; Welles et al., 2007; Lingg et al., 2008)
Mit großem experimentellem Aufwand forscht auch die Wissenschaftlergruppe um den Physiker Baumgartner. Im Fokus stehen ultrahohe Verdünnungen: zum einen in physikalischen Untersuchungen, zum anderen ihre Einflüsse auf In-vivo-Testsysteme. Sehr plausible Ergebnisse, die für eine Wirkung von hochpotenzierten homöopathischen Präparaten sprechen, wurden mit einem Testsystem erzielt, welches aus Kulturen von Wasserlinsen besteht, einem Standardsystem in der Ökotoxikologie (Erforschung von Umweltgiften). Verschiedene Experimente wurden mittlerweile mit diesem Testsystem durchgeführt, wie etwa die Messung des Einflusses von potenzierten Pflanzenhormonen (Gibbereline) auf das Wachstum von Wasserlinsen. (Scherr et al., 2009; Jäger et al., 2010) Ebenso wurde versucht, die in einen Mangelzustand versetzten Wasserlinsen (Calcium-, Eisen- bzw. Magnesiummangel) mit potenzierten Arzneien zu behandeln. Beim Calciummangel konnten deutliche Effekte homöopathischer Potenzen auf das Pflanzenwachstum beobachtet werden. Aussagekräftige Ergebnisse konnten mit Wasserlinsen auch in einem Intoxikations-Detoxikationsmodell erzielt werden. Hierbei werden gesunde Organismen zunächst mit einer toxischen Substanz vergiftet und dadurch in einen künstlichen Krankheitszustand versetzt. Danach werden sie mit hohen homöopathischen Verdünnungen der gleichen oder einer ähnlichen Substanz randomisiert, verblindet und placebokontrolliert behandelt. Im Anschluss wird statistisch ausgewertet, ob die mit Homöopathika behandelten Proben nachfolgend ein anderes Wachstumsverhalten zeigen, als die mit Placebo behandelten. Vielversprechende Experimente mit diesem Ansatz konnten bereits mit arsenvergifteten Wasserlinsen durchgeführt werden. (Jäger et al., 2011) Durch Unterstützung von Hevert-Arzneimittel konnte dieser experimentelle Ansatz nun auch mit quecksilberchloridvergifteten Wasserlinsen erprobt werden, mit dem Ziel, dieses Modell auch für komplexere Forschungsfragen anwenden zu können. (Jäger et al., 2019) Einen neueren Überblick über alle Pflanzenexperimente innerhalb der Homöopathieforschung liefert der Review von Ücker et al., 2018.
Für die Wirkung von homöopathischen Hochpotenzen sprechen auch die Ergebnisse, die von Bellavite 2009 veröffentlicht wurden. Es handelte sich dabei um ein Experiment, bei dem das Aktivitätsverhalten von Mäusen getestet wurde. Mäuse, die mit Gelsemium behandelt wurden, zeigten gegenüber mit Placebo behandelten Mäusen ein deutlich aktiveres Verhalten. (Bellavite et al., 2009)