Zeckenzeit – alle Jahre früher?

Die Zeckenzeit hat 2023 schon sehr früh begonnen, doch liegt dies wirklich am Klimawandel? Und müssen wir nun bald das ganze Jahr über mit einer Gefahr durch heimische und eingeschleppte Zecken rechnen? Wer ist besonders gefährdet? Und wie beugt man Zeckenbefall wirksam vor? HEVERT hat nachgefragt, und zwar bei einem, der sich auskennt: Dr. Volker Fingerle, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien, beantwortete uns nicht nur diese Fragen – ihm war vor allem eines wichtig: die frühzeitige Zeckenentfernung.

„Jede und jeder sollte sich mit der richtigen, das heißt angstfreien, beherzten und langsamen Zeckenentfernung beschäftigen, denn die Zecke sollte in jedem Fall so früh wie möglich raus.“ – Diese Botschaft lag unserem Interviewpartner ganz besonders am Herzen. Denn der häufigste Fehler sei, dass man mit Angst an die Zeckenentfernung herangeht oder ungeeignetes Werkzeug oder die falsche Methode benutzt. So ist von dem Betupfen der Zecke mit Öl oder Klebstoff vor dem Entfernen dringend abzuraten. Ein weiteres Beispiel seien Zeckenkarten. Diese eignen sich zwar zum Entfernen von Zecken, die sich schon gut vollgesogen haben, so wie man sie oft an Hund oder Katze findet. Für die Entfernung der meist noch sehr kleinen Zecken, die man vielleicht gerade am eigenen Körper entdeckt hat, muss man die richtige Vorgehensweise beachten (siehe Herstellerangaben!): Nach dem „Einfädeln“ darf die Zecke nicht nach oben herausgezogen werden – sie würde dann einfach durch den relativ breiten Schlitz der Zeckenkarte wieder herausflutschen. Stattdessen muss die Zecke parallel zur Hautoberfläche herausgeschoben werden. 

Doch wie geht es noch besser?

Zecken richtig entfernen

Dr. Volker Fingerle, rät dazu, sich bei der Zeckenentfernung Zeit zu lassen und das Tier langsam zu entfernen: „Ich empfehle hierfür eine feine, aber stabile Pinzette, die vorne relativ schmal ist und mit der man die Zecke dicht an der Haut fassen kann. Und dann langsam herausziehen“.

Früher gab es Mythen, dass sich die Erreger gleich bis zum menschlichen Gehirn ausbreiten würden, wenn der Kopf der Zecke steckenbliebe. Doch laut Fingerle sei der schwarze Punkt, der manchmal nach dem Entfernen verbleibt, nichts anderes als der Rüssel, von dem keine spezifische Infektionsgefahr ausgeht. Zwar würden die Erreger über die Speicheldrüsen der Zecke übertragen, doch diese säßen im „Bauch“ der Zecke, nicht im Rüssel.

Durch die Hautverletzung, welche die Zecke mit ihrem Biss verursacht, können in der Tat Keime von der Hautoberfläche in tiefere Hautschichten gelangen und eine lokale Entzündung hervorrufen. Denn wir Menschen tragen bis zu 10 Millionen Bakterien pro Quadratzentimeter Haut mit uns herum [1]. Zusätzlich spuckt die Zecke neben einer Art Zement zur besseren Verankerung noch Substanzen in unseren Körper, die lokal das Immunsystem unterdrücken. 

Häufig entsteht um den Zeckenstich herum eine lokale Entzündungsreaktion, die typischerweise mit Rötung, Juckreiz und Schwellung einhergeht. Diese sei aber nicht mit der Wanderröte, dem Erythema migrans (lat.), zu verwechseln, welches frühestens drei Tage nach dem Zeckenstich auftritt und nicht merklich geschwollen oder überwärmt ist. In diesem Fall oder wenn die lokale Entzündung sich verschlimmert, ist ein Arztbesuch dringend angeraten.

Was macht Zecken so gefährlich?

Ein Zeckenstich an sich ist nicht schlimm, auch wenn dieser sehr unangenehm sein kann. Warum wir uns vor Zecken hüten sollten, liegt an den Krankheitserregern, die sie oft in sich tragen. Die beiden Erkrankungen, die hierzulande am häufigsten durch diese Blutsauger übertragen werden, sind die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME [2]. 

FSME ist eine durch Viren ausgelöste Infektion, welcher man durch Impfung vorbeugen kann. Nicht alle Zecken im FSME-Risikogebieten sind Überträger. Nach einer Infektion leiden ca. 30 % an grippeähnlichen Symptomen und davon kann es bei ca. 10 % der Betroffenen zu einer Hirnhaut- und Gehirnentzündung kommen. Hier besteht die Therapie darin, die Symptome zu lindern.

Borreliose hingegen ist eine bakterielle Infektion, gegen die noch keine Impfung zur Verfügung steht. Hier ist das Mittel der Wahl die Gabe eines Antibiotikums, sobald sich entsprechende Symptome zeigen. Häufigstes Symptom ist die sogenannte Wanderröte, die sich um den Zeckenstich herum ausbreitet. 

Eine Borreliose kann im Frühstadium mit grippeähnlichen Symptomen einhergehen und im Zweit- und Drittstadium variierende und teils schwerwiegende Spätfolgen nach sich ziehen, von Nerven- und Herzmuskelentzündungen bis hin zu Gelenkentzündungen und Lähmungserscheinungen, zum Teil ähnlich der Multiplen Sklerose (MS) [2].

Als Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien hat Volker Fingerle in gewisser Weise FSME mit auf dem Schirm, auch wenn die Erreger und Risikogebiete getrennt voneinander zu betrachten sind. Denn das Vorhandensein einer bestimmten Zeckenart bedeutet nicht automatisch, dass diese die Erreger in sich tragen oder es immer zu einer Infektion kommt.

„Überall da, wo es in Europa die Überträgerzecke für Borrelien gibt, gibt es auch Borreliose. Doch überall da, wo es die Überträgerzecke für FSME gibt, gibt es nicht zwangsläufig FSME.“, so Dr. Fingerle. Wenn man beispielsweise die FSME-freien Gebiete in Frankreich oder im Norden Deutschlands betrachte, seien diese nicht FSME-frei, weil dort die Überträgerzecke nicht vorkäme, sondern weil die Viren dort keine günstigen Bedingungen vorfänden, etwa weil geeignete Wirtstiere fehlen oder die mikroklimatischen Bedingungen nicht optimal seien. 

Warum gibt es noch keine Impfung gegen Borreliose?

Ein Impfstoff gegen Borreliose ist bereits in Entwicklung und wird derzeit in Phase 3 getestet, so Volker Fingerle. Der Impfstoff enthält die sechs verschiedenen Oberflächenproteine-A der in Europa relevanten Borrelien und er basiert auf dem Prinzip, dass durch die im menschlichen Blut gebildeten Antikörper die Erreger bereits im Darm der saugenden Zecke inaktiviert werden. 

Dann können sie nicht mehr auf den Menschen übertragen werden, denn es dauert einige Stunden, bis die Borrelien vom Darm in die Speicheldrüsen der Zecke wandern, nachdem diese sich festgebissen hat. Dr. Fingerle: „Dies wäre ein echter Durchbruch, wenn die Testphase erfolgreich verläuft.“

Darüber dürften sich vor allem die freuen, die im Forst, der Waldarbeit oder der Landschaftsgärtnerei tätig sind. Doch auch Menschen, die ihre Freizeit häufig im Freien verbringen – bei Arbeiten im eigenen Garten oder Aufenthalt im Stadtpark sowie beim Pilze suchen oder Beeren sammeln – sind ebenfalls wesentlich gefährdet. Denn Zecken leben am liebsten überall dort, wo es schön grün ist [3].

Wer ist am meisten durch Zecken gefährdet?

Kann es sein, dass manche Menschen Zecken fast magisch anziehen, während andere davor gefeit sind? 

Volker Fingerle hält dies durchaus für möglich, denn die Zecke sei ganz hervorragend mit allen möglichen Wahrnehmungssinnen ausgestattet. Der Borrelien-Beauftragte hält Zecken an sich für faszinierende Tiere, denn sie nehmen ihre Umwelt sehr genau wahr. Die Zecke hört, riecht, sie spürt Wärme, Feuchtigkeit und vor allem auch Erschütterung. Dies sei auch der Hauptmechanismus, wie die Zecke auf den Menschen gelangt: 

„Wenn sie auf einem Grashalm sitzt und eine Erschütterung wahrnimmt, streckt sie einfach ihre mit Widerhaken versehenen Vorderbeine aus und wird so im Vorbeigehen vom Wirtstier abgestreift. Dieses testet sie aber erst einmal, ob es für ihren Saugvorgang geeignet ist. Für eine ausgewachsene Zecke wird eine kleine Maus sicherlich zu klein sein. Des Weiteren testet sie, ob sie und ihr Wirt geruchlich und geschmacklich zusammenpassen und ob sie eine gute Stelle zum Andocken und Saugen findet. Manche Menschen sind dann wahrscheinlich tatsächlich nicht so attraktiv für sie.“ 

Am besten also, man hält sich an die üblichen Empfehlungen, um die Tiere gar nicht erst (lange) an sich ranzulassen. Dazu zählt das Tragen heller, geschlossener Kleidung und das gründliche Absuchen der Haut und Kleidung nach oder schon während des Aufenthalts im Freien. Doch reicht das?

Wie beugt man Zeckenbefall wirksam vor?

Gerade naturverbundene Menschen sehnen sich nach wirksamen, natürlichen Mitteln zur Abwehr von Zecken. So halten sich Gerüchte über die Wirksamkeit von Kokosöl [4], Schwarzkümmel- und anderen ätherischen Ölen, vom Verzehr von Knoblauch oder gar dem Tragen von Bernsteinketten oft hartnäckig. 

Auch Dr. Fingerle greift nicht gerne zur chemischen Keule; all diese Hausmittel betrachtet er jedoch mit Skepsis: „Außer Eukalyptus citriodora-Öl hydratisiert/cyclisiert ist mir kein natürlicher Wirkstoff bekannt, der in unabhängigen wissenschaftlichen Studien erfolgreich getestet wurde.“

Handelsübliche, auch natürliche Mittel gegen Zecken zum Auftragen auf die Haut oder Kleidung müssen wirksam getestet sein, bevor sie auf den Markt kommen. Anti-Zecken-Lotionen oder -Sprays für die Haut sollten nicht mit anderen Mitteln wie Sonnencreme, vermischt werden und auf die unbedeckten Körperstellen beschränkt werden, an denen sich die Zecke anhängen kann, zum Beispiel die Waden und Unterarme. 

Die Zeckenzeit, wann startet sie eigentlich? Und hat der Klimawandel darauf Einfluss?

Laut unserem Experten startet die Zeckenzeit, wenn die Wettersituation so ist, dass sich die Zecke wohlfühlt und aus der Winterstarre erwacht. In einem besonders warmen Jahr kann dies früher sein. Wenn aber erst im April die klimatischen Bedingungen für die Zecke stimmen, fängt die Zeckenzeit auch erst dann an. „Das hat erst einmal nichts mit dem Klimawandel zu tun, sondern allein mit dem aktuell lokal vorherrschenden Wetter“, so Dr. Fingerle.

Zwar breiten sich immer mehr unterschiedliche Zecken bei uns aus. Für diese Arten, zum Beispiel die Hyalomma-Zecke, ist die entscheidende Frage jedoch, ob sie und ihre Eier in einem bestimmten Gebiet den Winter überleben können. Dies mag einmal funktionieren. Doch ob dies auch in Zukunft der Fall ist, entscheiden die Folgejahre. Ein besonders kalter Winter kann dazu führen, dass eine ganze Population in diesem Gebiet wieder ausstirbt und die Gefahr durch diese Zeckenart dort wieder relativ gering ist.

Erst wenn eine Art dauerhaft den Winter überleben kann und geeignete Bedingungen – das heißt günstige mikro- und makroklimatische sowie biotische und abiotische Faktoren – vorfindet, lässt sich sagen, dass sie bedingt unter anderem durch den Klimawandel feste Populationen aufbauen kann. 

Die Datenlage reicht also aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht für eine Langzeitprognose zu einer erhöhten Zeckengefahr durch den Klimawandel aus. Hierfür sind so genannte Longitudinale Surveillance-Studien nötig, wie sie das Robert-Koch-Institut (RKI) bereits ansatzweise mit dem Zecken-Atlas betreibt [5].

Das Interview mit Dr. Volker Fingerle, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, führte Anne Baumgart, die freiberuflich als Medical Writer für Hevert tätig ist [6].
 

Quellenangaben

Willkommen beim Hevert-Magazin

Die bunte Themenwelt des Naturheilkunde-Unternehmens Hevert-Arzneimittel spiegelt sich im Hevert-Magazin wider. Die Magazin-Beiträge rund um ganzheitliche Gesundheit sind deshalb in die Kategorien Hevert Aktuell, Rundum gesund, Achtsam leben, Wirkstoffe, Gastbeiträge sowie Naturheilkunde damals und heute unterteilt. Alle Magazin-Beiträge werden vom Hevert-Team gemeinsam mit ausgewählten medizinischen Redakteuren für Sie erstellt. Wir wünschen Ihnen viel Spaß und gute Unterhaltung.

Ihr Hevert-Team

Hevert Aktuell

Unter der Rubrik Hevert Aktuell finden Sie Neuigkeiten aus dem Familienunternehmen. Es erwarten Sie Themen wie Curcumin, Eisen und Selen aus rein pflanzlichen Quellen oder der Verzicht auf Palmöl in Hevert-Präparaten sowie viele weitere spannende Entwicklungen rund um Produktneuheiten, Umweltthemen und das soziale und nachhaltige Engagement von Hevert.

Rundum gesund

Im Bereich Rundum gesund geht es um die ganzheitliche Behandlung bzw. Prävention von Krankheiten. Dabei ist der Ansatz der integrativen Medizin maßgebend. Sie verbindet die Naturheilkunde sinnvoll mit der Schulmedizin zu einem ganzheitlichen Gesamtkonzept. Die Naturheilkunde umfasst unter anderem die Behandlung mit Mikronährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen sowie Komplexmitteln und pflanzlichen Präparaten. Überwiegend beschäftigen sich die Magazin-Beiträge mit den Therapiebereichen Entspannung & Schlaf, Vitalität & Immunsystem, Erkältung, Husten & Schnupfen, Magen, Darm, Leber & Galle, Herz-Kreislauf & Durchblutung, Allergie & Haut, Blase & Niere, Schmerzen im Bewegungsapparat sowie Frauenbeschwerden. Wie hilft die tägliche Einnahme von Vitamin D dem Immunsystem? Stress und Schlafprobleme natürlich behandeln mit Entspannungstechniken und naturheilkundlichen Präparaten. Alles rund um eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen wie B-Vitaminen, Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E, Folsäure, Eisen, Selen und allem, was der Körper sonst noch braucht. Dies und vieles mehr sind Themen, die Sie in der Rubrik Rundum gesund entdecken können.

Achtsam leben

Die Verbindung zwischen Körper und Geist gewinnt in der Medizin immer mehr an Bedeutung. Für ein harmonisches Miteinander müssen wir achtsam mit uns selbst, unserem Körper, unseren Mitmenschen und unserer Umwelt umgehen. Achtsamkeit beschreibt das bewusste Wahrnehmen mit Körper und Geist, das Leben im Hier und Jetzt, den Fokus auf den Moment. Die Magazin-Beiträge in dieser Rubrik beschäftigen sich beispielsweise mit Themen wie gesunder Ernährung, Yoga, Meditation und dem Umgang mit Stress.

Wirkstoffe

Zahlreiche der in den Hevert-Präparaten verwendeten Heilpflanzen werden am Unternehmensstandort in Nussbaum im eigenen Heilpflanzenfeld angebaut. In dieser Rubrik des Hevert-Magazins erwarten Sie spannende Informationen zu den Heilpflanzen bei Hevert, dem Heilpflanzenanbau und dem Kräutergarten. Ein Magazin-Beitrag beschäftigt sich zum Beispiel mit der Heilpflanze Echinacea (Sonnenhut) und ihrer Wirkung bei Erkältungen.

Naturheilkunde heute & damals

Kennen Sie Samuel Hahnemann, Pastor Emanuel Felke oder Sebastian Kneipp? Erfahren Sie mehr über Pioniere der Naturheilkunde und ihre Behandlungsansätze. Auch Neues aus der Forschung wie zum Beispiel Vitamin D bei Asthma oder B-Vitamine in der Schmerztherapie erwartet Sie in dieser Rubrik.